Weihnachtsfeier 1947

Der Wiederaufbau und die dritte Neugründung des Vereins nach dem Krieg

Es war Gustav Strube, dem es Ende 1945 gelang, den Verein aus dem völligen Erliegen neu ins Dasein zu rufen. Als langjähriges Mitglied unternahm er ungezählte Gänge zu den Dienststellen der Besatzungsmacht, bis er schließlich die Genehmigung für die Aufnahme der Vereinstätigkeit erhielt. Bei den zähen Verhandlungen mit den Behörden unterstützte ihn vor allem der damalige zweite Vorstand, Polizeikommissar Eugen Koch. In dieser Zeit wurde der Verein von Friedrich Eller vertreten, da es dem ersten Vorstand Willi Bott aus politischen Gründen nicht erlaubt war, dem Verein vorzustehen.

Eine schnelle Wiederbelebung des Turnvereins war den Handballspielern zu verdanken, die in freier Weise Spiele mit Mannschaften der Umgebung vereinbarten und austrugen. Das Turnen selbst blieb 1945 noch verboten und wäre auch nicht möglich gewesen. "Die Turngeräte waren nämlich entweder ausgebrannt, abhanden gekommen oder bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt." Hinzu kam, daß Truppen der Besatzungsmächte die Turnhalle der Riedschule besetzt hielten.

Erst Anfang 1946, als die Turnhalle sowie der Saal des Gasthauses zum Eichhorn von der Militärbenutzung frei wurde, konnte der Turnbetrieb unter erheblichen Schwierigkeiten wieder aufgenommen werden. Der Turnverein 1874 Karlsruhe-Rüppurr war damit einer der ersten Vereine, die wieder regelmäßig turnten.

1946

Im Monat Mai 1946 kam es zur ersten Haupt- bzw. Gründungsversammlung nach dem Kriege im Gasthaus zum Hirsch. Die Versammlung hatte Friedrich Eller beantragt und ebenso die Namensänderung von Turnverein zu Turn- und Sportverein 1874 Karlsruhe-Rüppurr. Die Umbenennung sollte dem erweiterten sportlichen Tätigkeitsbereich und der erfreulichen Fortschritte der Handballabteilung Rechnung tragen. Eugen Koch wurde zum ersten und Gustav Strube zum zweiten Vorsitzenden gewählt. Einstimmig beschlossen die Anwesenden, Friedrich Eller zum Ehrenvorsitzenden zu ernennen.

Im Dezember 1946 konnte der TSV Rüppurr den in der Tulpenstraße gelegenen Tennisplatz übernehmen. Zuvor war der Tennisclub Rüppurr, nach dessen Auflösung im Frühjahr 1945, in den neugegründeten Turn- und Sportverein Karlsruhe-Rüppurr eingetreten. Bis 1953, dem Jahr der Neugründung des Tennisclubs (TC Rüppurr), hatten nun alle Mitglieder des Vereins die Möglichkeit, den Tennissport auszuüben.

In den folgenden Jahren gelang es dem Verein, nicht nur seine Mitgliederzahl zu erhöhen, sondern auch weitere Sportarten zum bisherigen Turn- und Handballbetrieb aufzunehmen. So belebten leichtathletische Wettkämpfe, Turn- und Sportfeste, Handballturniere und erstmalige Versuche im Faustballspiel die Vereinsarbeit. Der Jugendarbeit schenkte man besondere Beachtung, so daß bald in allen Bereichen Jugend- und Schülergruppen bzw. -mannschaften entstanden.

Großen Einfluß auf die zunehmende Attraktivität des Sports allgemein hatten u.a. auch die internationalen Erfolge der westdeutschen Sportler. Der Leistungssport gewann unter der Bevölkerung immer stärkere Popularität. Ein neues nationales Selbstbewußtsein entstand, was dazu führte, daß der Leistungssport bald staatlich gefördert wurde.

1952
Bau der Sportanlage am Eichelgarten

Neben dem zerstörten "Turnerhäusle" traf den Turn- und Sportverein Anfang 1946 ein weiterer schwerer Verlust. Er mußte sein ehemaliges Sportgelände im "Gewann Kuhlager-Seele" an die Stadt Karlsruhe bzw. an das Domänenamt zur Errichtung von Kleingärten abgeben. Als Ersatz wurde dem Verein ein Grundstück im "Gewann Fautenbruch" beim Wasserwerk zur Verfügung gestellt, welches die Mitglieder in großer Mühe und mit viel Kraftaufwand von Bombentrichtern und anderen Kriegsspuren befreiten und dadurch spielfähig machten. Da das Gelände ursprünglich dem 1933 aufgelösten VfB Südstadt (Verein für Bewegungsspiele) zugewiesen war, mußte sich der TSV Rüppurr den Platz mit dem VfB teilen. Dieser Zustand brachte einige Probleme mit sich, da es ständig zu Auseinandersetzungen der beiden Vereine in Bezug auf Belegung und Instandsetzung des Sportgeländes kam. Die gespannte Lage zeigt sich unter anderem in einem Schreiben des Turn- und Sportvereins an das Städtische Sportamt:

"Sie spielen und benutzen den Platz wie es ihnen gefällt und gerade paßt... Der Platz selbst befindet sich entgegen seinem vorjährigem Zustand in mehr als trauriger Verfassung."

Ein weiteres Übel stellten die fehlenden Wasch- und Umziehmöglichkeiten auf der Anlage sowie deren weit entfernte Lage dar.

Die Forderung nach einem besseren Sportplatzgelände war der Stadtverwaltung verständlich, aber erst die im Jahre 1951 von der Stadt Karlsruhe geforderte Verlegung der im Wassereinzugsgebiet gelegenen Platzanlage kam diesem Wunsch entgegen. "Sofort wurde eine Kommission gebildet, die den Auftrag hatte, in Ortsnähe von Rüppurr ein geeignetes Gelände zu erkunden. Nach mehreren Rundgängen und sorgfältiger Abwägung war man sich einig, daß das Gelände am 'Eichelgarten' wohl das geeignetste sein würde." Der Verein erhielt die Zuweisung dieses Geländestückes, und bereits 1953 konnte die Neuanlage des Sportfeldes im "Gewann Eichelgarten" in Angriff genommen werden. Besonders zu erwähnen sei hier der damalige Sportdezernent und Bürgermeister der Stadt Karlsruhe, Dr. Gutenkunst, welcher sich intensiv für das Vorhaben des Turn- und Sportvereins einsetzte und auch in den folgenden Jahren mit finanzieller Hilfe für Unterstützung sorgte.

Sämtliche Planungsarbeiten wurden von Emil Fischer übernommen, der als Bauingenieur und Mitglied des Vereins selbstlos und unermüdlich das Projekt leitete. Da die anfallenden Kosten den Rahmen der Vereinskasse zu sprengen drohten, appellierte man wieder an die Turner und Sportler des Vereins, im freiwilligen Arbeitsdienst bei der Herrichtung der geplanten Anlage tatkräftig mitzuhelfen. Die große Arbeitsbereitschaft und der bewundernswerte Gemeinschaftssinn der ca. 200 Mitglieder ermöglichte eine schnelle Fertigstellung der Spiel- und Sportplatzanlage mit einer 100 m langen Aschenbahn sowie einer Weitsprunganlage. Bis zum April desselben Jahres hatte der Verein aus alten Barackenteilen auf seinem Sportplatz eine provisorische Unterkunftshütte erstellt. Die Baracke diente von nun an als neues Turnerheim, bis der TSV Rüppurr den Bau eines massiven Vereinsheimes ermöglichen konnte. Im Gegenzug der erhaltenen finanziellen Unterstützung durch die Stadt Karlsruhe verpflichtete sich der Verein, seine Sportplatzanlage gegen eine geringe jährliche Entschädigung den städtischen Schulen an vereinbarten Tagen und Stunden zur Mitbenutzung zur Verfügung zu stellen.

1956
Ausbau der Sportplatzanlage in den fünfziger Jahren

Unermüdlich wurde in den folgenden Jahren am weiteren Ausbau der Sportplatzanlage und dem Turnerheim gearbeit. 1956 hatte der Turn- und Sportverein Rüppurr schließlich sein Ziel erreicht. Der herrliche in Ortsnähe gelegene Sportplatz zeichnete sich durch eine 400 m lange Aschenbahn, drei Weitsprung-, eine Hochsprung- und Kugelstoßanlage, ein Spielfeld sowie mehrere Ringtennis- und Faustballfelder aus. Die Errichtung einer Kleingolfanlage verdankte der Verein Emil Fischer, der diese in Eigenarbeit übernommen hatte. Auch das Turnerhäusle enthielt Räume für Geräte, Umkleidung, Dusche und Kantine. Die Begeisterung der vollbrachten Leistungen spiegelte sich in einer erfolgreichen Einweihungsfeier vom 26.-28. Mai 1956 wider. Sämtliche Rüppurrer Vereine beteiligten sich z.T sportlich, aber auch musikalisch an diesem Fest, welches mit der Enthüllung des Gedenksteines für die Gefallenen beider Kriege eingeleitet wurde.

Der Bau der Sportanlage wirkte sich sehr positiv auf die weitere Entwicklung des Turn- und Sportvereins aus. Das spielerische und sportliche Leben erfuhr einen mächtigen Aufschwung; gleichzeitig stieg die Zahl der Mitglieder bedeutsam an. In dieser Zeit kam es zur Gründung einer eigenständigen Leichtathletik- und Faustballabteilung, und der Grundstein einer eigenen Ringtennisabteilung wurde gelegt. Allein die Turnabteilung hatte etwas unter dieser Entwicklung zu leiden. In der Festschrift des Vereins von 1959 ist zu lesen:

"Mit dem Zustrom der Jugend auf die neuen Spielfelder unter freiem Himmel konnte das Geräteturnen in der Halle nicht mehr Schritt halten."

1959

Den krönenden Abschluß der erfolgreichen 50er Jahre bildete das 85-jährige Jubiläumsfest. Das Jahr 1959 stand auch gleichzeitig unter dem Zeichen der Werbung für den Sport allgemein. So richtete der TSV Rüppurr neben seiner eigentlichen Festveranstaltung verschiedene sportliche Höhepunkte, wie z.B. das kreisoffene Jugendhandballturnier, auf seiner Sportanlage aus. Willi Bott beendete mit diesem Jahr seine langjährige Arbeit als 1. Vorsitzender des Turn- und Sportvereins. Er hatte sich besonders um den Wiederaufbau und die Wiedererstarkung des Vereins in einer allgemeinen Phase des Aufschwungs in Westdeutschland (Beginn des Wirtschaftswunders) verdient gemacht. Für sein großes Engagement und die über 20-jährige Tätigkeit als Vorstand wurde ihm 1960 die Ehrennadel des Deutschen Sportbundes verliehen.

 

Der Sport in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg

Das Frühjahr 1945 brachte den Zusammenbruch des schrecklichen Krieges. "Als Deutschland am 8. Mai 1945 bedingungslos kapitulieren mußte, hatten Krieg und Diktatur Milionen von Opfern gekostet."

Trotz der großen Not in den Trümmern der zerstörten Städte erwachte unter der Bevölkerung schon bald wieder die Lust zum Sporttreiben, zum Spielen, Turnen und zur Gymnastik. Neben den Sorgen um den Wiederaufbau versuchte man, im Sport Ablenkung und Ausgleich zu finden.

Da Deutschland von den Besatzungsmächten verwaltet wurde, gestaltete sich die Organisation der Turn- und Sportvereine in den vier Zonen zunächst unterschiedlich. Oberstes Ziel der vier Mächte USA, Sowjetunion, England und Frankreich war, die Schuldigen des nationalsozialistischen Regimes zu bestrafen und die deutsche Bevölkerung zur Demokratie zu erziehen. Da Turnen und Sport sowie die Leibeserziehung stark unter dem Einfluß der NSDAP gestanden hatte und sich auch von deren Machthabern benutzen und mißbrauchen ließ, galt zunächst ein striktes Verbot sämtlicher Turn- und Sportvereine. Den Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen und seine anhängenden Vereine, zu denen auch der Turnverein Rüppurr zählte, hatte man kurzerhand aufgelöst. Es wurde strengstens darauf geachtet, daß "alles, was nach Militarismus und Wehrsport aussah, alles was an Nationalsozialismus errinnerte," im neuen Sport in Deutschland keinen Platz mehr finden würde.

Ungeachtet des Verbots bildeten sich schon im Sommer 1945 wieder Turn- und Sportvereine, hauptsächlich aus den Traditionsvereinen, die es auch über die Zeit des Krieges hinweg geschafft hatten, einen gewissen Zusammenhalt zu bewahren. Von ihnen ging der eigentliche Neubeginn des Sports in Westdeutschland aus. Zu diesen ersten Nachkriegsvereinen kann sich auch der Turnverein Rüppurr zählen, der bereits im November 1945 seine Vereinsarbeit im beschränktem Umfang wieder aufnahm.

Am 13. März 1946 wurde in Karlsruhe der Badische Sportbund gegründet, der sämtliche Turn- und Sportvereine vereinigte und allen Sportarten den Spielraum zur freien Entfaltung gewährte. Im selben Jahr fand auch die eigentliche Neugründung des Turnvereins 1874 Karlsruhe-Rüppurr im Gasthaus zum Hirsch statt.

Grundlage der Geschichtsseiten ist eine Wissenschaftliche Arbeit für die Zulassung zum 1. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien unter dem Titel: "Die historische Entwicklung des Turn- und Sportvereins 1874 Rüppurr e.V. von den Anfängen bis heute", angefertigt im Dezember 1998 von Kirstin Klee aus Forst am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Karlsruhe unter Prof. Dr. Georg Kenntner.